Samstag, 25. Februar 2017

26. Erzählcafé im Körnerkiez

Donnerstag, 19. Januar 2017

Deborah S. Phillips – Kunst in Kommunikation

Es war nicht ganz einfach, einen festen Termin mit Deborah S. Phillips auszumachen, denn sie hat viele Eisen im Feuer, zum Beispiel für bevorstehende Reisen in die weite Welt, wo Menschen zusammenkommen, um künstlerisch zu arbeiten. Doch sie kann unsere Verabredung einhalten. Deborah berichtet aus ihrem Leben als Künstlerin, das so ganz anders zu verlaufen scheint, als das der meisten anwesenden Zuhörer. Sie hat einige ihrer Werke, Arbeiten auf Papier, mitgebracht, die sie uns zeigt. Nach diesem Termin habe ich noch viele Fragen und wünsche mir, mich intensiver mit ihrer Kunst auseinandersetzen zu können.

Über ihre Kindheit erzählt Deborah nichts, nur, dass sie jüdische Wurzeln hat. In Perugia studiert sie Malerei und geht dann, mit Zwischenstationen, nach Braunschweig, wo sie 1988 im Künstlerkollektiv „Laboratorium für Kunstexperimente“ mitwirkt. Dort hat sie Platz zu malen, hilft sie ihren Kollegen bei der Produktion experimenteller Filme und arbeitet sich in verschiedene Techniken ein, u.a. in die Lithographie. Die Zusammenarbeit im Kollektiv gibt Deborah wichtige Impulse. Wichtig ist ihr der Umgang mit handfestem Werkzeug, wie beispielweise einer analogen Bolex oder Crass-Kamera. In der Kombination mit Geräuschen, Gesprochenem und Musik können (und sollen) ihre Filme den Betrachter in eine bestimmte Atmosphäre versetzen.

In Deborahs künstlerischer Arbeit fließen Licht, Farben, Formen, Klänge, Texte, Gegenstände, Bilder zusammen. Film ist ein geeignetes Medium, durch Überlagerungen verschiedener Bilder neuen Ausdruck zu schaffen und diesen in Bewegung zu setzen. Deborah malt, stellt Lithografien (im Steindruck) her und macht Collagen aus Teilen ihrer Produktion. Ihre Künstlerbücher sind Zeugnisse der intensiven Beschäftigung mit einzelnen Themen. So widmet sie den drei „Lichtfarben“ Rot, Blau und Grün viele Forschungsjahre. Ein zu jedem Farb-Thema produziertes Buch enthält Lithographien, Monotypen, mit Bleisatz gedruckten Text, Stempeldruck und kleine Collagen.

„Ich bin ab und zu international unterwegs und habe viele Kontakte in allen Teilen der Welt“, sagt Deborah und erzählt von einem längeren Aufenthalt in Indien, wo sie 2002 in Gujarat mit befreundeten Künstlern in einem Projekt arbeiten konnte, aber auch in eine schwierige politische Situation geriet. Dass sie gern „etwas mit Kollegen vor Ort“ machen möchte, gehört zu ihrer Lebensphilosophie. Sie sucht den direkten, intensiven Austausch und die unmittelbare Konfrontation. Sie reist, wie es kommt, mit Einladungen von staatlichen oder privaten Institutionen zu Seminaren, Ausstellungen, Filmfestivals oder Arbeitsaufenthalten. Manchmal erhält sie ein befristetes Arbeitsstipendium. Oder die Künstlerinnen und Künstler unterstützen sich gegenseitig. So spannend und vielfältig Deborahs Leben auch erscheint, „es ist auch sehr anstrengend“, und viel Geld verdient man nicht. Viele internationale Kunstinstitutionen sind nicht so ausgestattet, dass sie den Künstlern zusätzlich zu den Reisekosten und den Spesen ein Honorar bezahlen können. Deborah erinnert sich an eine Einladung nach Rumänien, bei der sie gebeten wurde, die Reisekosten vorzustrecken. Das war ihr zu jenem Zeitpunkt nicht möglich, so dass sie diese Einladung nicht annehmen konnte.

Seit ca. 30 Jahren arbeitet Deborah als freischaffende bildende Künstlerin, und sie wird noch immer in viele Orte der Welt eingeladen. Die Kommunikation mit den internationalen Freunden, Kollegen und Institutionen kostet viel Zeit. „Manchmal führe ich drei Tage hintereinander nur Telefonate und schreibe Bewerbungsbriefe. Ich schlafe dann sehr wenig.“ Es ist nicht immer leicht, als nicht mehr ganz junge Künstlerin eine Einladung zu Ausstellungen zu erhalten. Die jungen Leute drängen nach, und die Galerien wollen etwas „Zeitgemäßes“. Man muss bedenken, dass allein in Berlin rund 80.000 Kunstschaffende leben und arbeiten wollen.

In Deborahs Leben gibt es keine „Freizeit“, keinen „Urlaub“, keine „Konsumgüter“, stellt sie fest, ohne das zu beklagen. Deborah ist flexibel und reagiert spontan auf Angebote. Aber es ist eine erzwungene Flexibilität. Manchmal wünscht sie sich eine feste Anstellung, eine Professur zum Beispiel. Gelehrt hat sie viel in zahllosen Seminaren, aber nie in einer finanziell gesicherten Situation.

Deborah lebt seit 2001 in Neukölln. Die erste Wohnung liegt in der Nähe des Hermannplatzes, der für sie bis heute in seiner großstädtischen Vielfalt das „Zentrum des Universums“ darstellt. Einer ihrer Filme mit dem Titel „Herman(n)“ nimmt Motive des Platzes auf und erinnert auch an Deborahs Mutter, die Herman hieß. Als Deborah diese Wohnung aufgeben muss, hilft ihr die Neuköllner Kulturamtsleiterin Dr. Dorothea Kolland weiter (s. deren Geschichte in dieser Broschüre). Sie gibt ihr den Tipp, den Eigentümer des Leuchtturms anzurufen. Dieser hat sein Haus in der Emser Straße gerade renoviert und beschlossen, die Wohnungen an Kunstschaffende zu vermieten (s. Bernhard Thiess in dieser Broschüre). Deborah hat Glück und kann ihn überzeugen.

Deborah hat sich viele Jahre im Kunstverein Neukölln engagiert, als dieser noch seinen Sitz in der Thomasstraße hatte. Bevor er nach einer Räumungsklage ausziehen muss, organisiert sie die Ausstellung „Weiterreichung“ mit druckgrafischen Arbeiten zahlreicher Kunstschaffender. Seitdem hat der Verein seinen Sitz in der etwas kleineren Galerie in der Mainzer Straße, wo er gerade sein 10-jähriges Bestehen feierte. Auch in der Bewohner*innenjury des Quartiersmanagements Körnerpark war Deborah aktiv. Häufig beteiligt sie sich mit Installationen oder Bildern beim Kunstfestival „48 Stunden Neukölln“ (s. Dr. Martin Steffens in dieser Broschüre), und sie kooperiert auch mit dem Weddinger Künstlerkollektiv „LaborBerlin“. Die meiste Zeit verbringt Deborah aber im Kreuzberger Kunstquartier Bethanien, um ihre Lithografien herzustellen. Wenn sie produzieren kann, geht es ihr gut, und sie ist froh, dass sie gerade nicht verreisen muss.

Ein Blick auf Deborahs Webseite lohnt sich: https://deborahsp.wordpress.com





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