Donnerstag, 19. Januar 2017
Deborah S. Phillips – Kunst in Kommunikation
Es war nicht ganz
einfach, einen festen Termin mit Deborah S. Phillips auszumachen, denn sie hat
viele Eisen im Feuer, zum Beispiel für bevorstehende Reisen in die weite Welt,
wo Menschen zusammenkommen, um künstlerisch zu arbeiten. Doch sie kann unsere
Verabredung einhalten. Deborah berichtet aus ihrem Leben als Künstlerin, das so
ganz anders zu verlaufen scheint, als das der meisten anwesenden Zuhörer. Sie
hat einige ihrer Werke, Arbeiten auf Papier, mitgebracht, die sie uns zeigt.
Nach diesem Termin habe ich noch viele Fragen und wünsche mir, mich intensiver
mit ihrer Kunst auseinandersetzen zu können.
Über ihre Kindheit erzählt Deborah nichts, nur, dass sie
jüdische Wurzeln hat. In Perugia studiert sie Malerei und geht dann, mit
Zwischenstationen, nach Braunschweig, wo sie 1988 im Künstlerkollektiv
„Laboratorium für Kunstexperimente“ mitwirkt. Dort hat sie Platz zu malen,
hilft sie ihren Kollegen bei der Produktion experimenteller Filme und arbeitet
sich in verschiedene Techniken ein, u.a. in die Lithographie. Die
Zusammenarbeit im Kollektiv gibt Deborah wichtige Impulse. Wichtig ist ihr der
Umgang mit handfestem Werkzeug, wie beispielweise einer analogen Bolex oder
Crass-Kamera. In der Kombination mit Geräuschen, Gesprochenem und Musik können
(und sollen) ihre Filme den Betrachter in eine bestimmte Atmosphäre versetzen.
In Deborahs künstlerischer Arbeit fließen Licht, Farben,
Formen, Klänge, Texte, Gegenstände, Bilder zusammen. Film ist ein geeignetes
Medium, durch Überlagerungen verschiedener Bilder neuen Ausdruck zu schaffen und
diesen in Bewegung zu setzen. Deborah malt, stellt Lithografien (im Steindruck)
her und macht Collagen aus Teilen ihrer Produktion. Ihre Künstlerbücher sind
Zeugnisse der intensiven Beschäftigung mit einzelnen Themen. So widmet sie den
drei „Lichtfarben“ Rot, Blau und Grün viele Forschungsjahre. Ein zu jedem
Farb-Thema produziertes Buch enthält Lithographien, Monotypen, mit Bleisatz
gedruckten Text, Stempeldruck und kleine Collagen.
„Ich bin ab und zu international unterwegs und habe viele
Kontakte in allen Teilen der Welt“, sagt Deborah und erzählt von einem längeren
Aufenthalt in Indien, wo sie 2002 in Gujarat mit befreundeten Künstlern in einem
Projekt arbeiten konnte, aber auch in eine schwierige politische Situation
geriet. Dass sie gern „etwas mit Kollegen vor Ort“ machen möchte, gehört zu
ihrer Lebensphilosophie. Sie sucht den direkten, intensiven Austausch und die
unmittelbare Konfrontation. Sie reist, wie es kommt, mit Einladungen von
staatlichen oder privaten Institutionen zu Seminaren, Ausstellungen,
Filmfestivals oder Arbeitsaufenthalten. Manchmal erhält sie ein befristetes
Arbeitsstipendium. Oder die Künstlerinnen und Künstler unterstützen sich
gegenseitig. So spannend und vielfältig Deborahs Leben auch erscheint, „es ist
auch sehr anstrengend“, und viel Geld verdient man nicht. Viele internationale
Kunstinstitutionen sind nicht so ausgestattet, dass sie den Künstlern
zusätzlich zu den Reisekosten und den Spesen ein Honorar bezahlen können.
Deborah erinnert sich an eine Einladung nach Rumänien, bei der sie gebeten
wurde, die Reisekosten vorzustrecken. Das war ihr zu jenem Zeitpunkt nicht
möglich, so dass sie diese Einladung nicht annehmen konnte.
Seit ca. 30 Jahren arbeitet Deborah als freischaffende
bildende Künstlerin, und sie wird noch immer in viele Orte der Welt eingeladen.
Die Kommunikation mit den internationalen Freunden, Kollegen und Institutionen
kostet viel Zeit. „Manchmal führe ich drei Tage hintereinander nur Telefonate
und schreibe Bewerbungsbriefe. Ich schlafe dann sehr wenig.“ Es ist nicht immer
leicht, als nicht mehr ganz junge Künstlerin eine Einladung zu Ausstellungen zu
erhalten. Die jungen Leute drängen nach, und die Galerien wollen etwas
„Zeitgemäßes“. Man muss bedenken, dass allein in Berlin rund 80.000
Kunstschaffende leben und arbeiten wollen.
In Deborahs Leben gibt es keine „Freizeit“, keinen „Urlaub“,
keine „Konsumgüter“, stellt sie fest, ohne das zu beklagen. Deborah ist
flexibel und reagiert spontan auf Angebote. Aber es ist eine erzwungene
Flexibilität. Manchmal wünscht sie sich eine feste Anstellung, eine Professur
zum Beispiel. Gelehrt hat sie viel in zahllosen Seminaren, aber nie in einer
finanziell gesicherten Situation.
Deborah lebt seit 2001 in Neukölln. Die erste Wohnung liegt
in der Nähe des Hermannplatzes, der für sie bis heute in seiner großstädtischen
Vielfalt das „Zentrum des Universums“ darstellt. Einer ihrer Filme mit dem
Titel „Herman(n)“ nimmt Motive des Platzes auf und erinnert auch an Deborahs
Mutter, die Herman hieß. Als Deborah diese Wohnung aufgeben muss, hilft ihr die
Neuköllner Kulturamtsleiterin Dr. Dorothea Kolland weiter (s. deren Geschichte
in dieser Broschüre). Sie gibt ihr den Tipp, den Eigentümer des Leuchtturms
anzurufen. Dieser hat sein Haus in der Emser Straße gerade renoviert und
beschlossen, die Wohnungen an Kunstschaffende zu vermieten (s. Bernhard Thiess
in dieser Broschüre). Deborah hat Glück und kann ihn überzeugen.
Deborah hat sich viele Jahre im Kunstverein Neukölln
engagiert, als dieser noch seinen Sitz in der Thomasstraße hatte. Bevor er nach
einer Räumungsklage ausziehen muss, organisiert sie die Ausstellung
„Weiterreichung“ mit druckgrafischen Arbeiten zahlreicher Kunstschaffender. Seitdem
hat der Verein seinen Sitz in der etwas kleineren Galerie in der Mainzer
Straße, wo er gerade sein 10-jähriges Bestehen feierte. Auch in der
Bewohner*innenjury des Quartiersmanagements Körnerpark war Deborah aktiv.
Häufig beteiligt sie sich mit Installationen oder Bildern beim Kunstfestival „48
Stunden Neukölln“ (s. Dr. Martin Steffens in dieser Broschüre), und sie kooperiert
auch mit dem Weddinger Künstlerkollektiv „LaborBerlin“. Die meiste Zeit
verbringt Deborah aber im Kreuzberger Kunstquartier Bethanien, um ihre
Lithografien herzustellen. Wenn sie produzieren kann, geht es ihr gut, und sie
ist froh, dass sie gerade nicht verreisen muss.
Ein Blick auf Deborahs Webseite lohnt sich:
https://deborahsp.wordpress.com
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