Montag, 28. November 2016

25. Erzählcafé im Körnerkiez

Donnerstag, 24. November 2016

Regina J. Schwenke:
Kindheitserinnerungen aus der Neuköllner Kriegs- und Nachkriegszeit

Regina Schwenke ist eine lebendige ältere Dame, die rechtzeitig im Leuchtturm erscheint und einen vollgepackten Einkaufswagen hinter sich herzieht. Darin befinden sich viele Erinnerungsstücke, die sie während ihres Berichtes nach und nach auspackt und in unserem Kreis herumgehen lässt. Regina Schwenke wurde 1938 in Berlin-Neukölln geboren. Sie hat dort als Kind in einer Großfamilie die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs und die schwierige Nachkriegszeit miterlebt und darüber ein Buch geschrieben (Regina J. Schwenke: Und es wird immer wieder Tag. 4. überarbeitete Auflage, Berlin 1913). Das Besondere an ihrem Buch ist, dass sie nicht nur die Geschehnisse aus Kindersicht schildert, sondern diese auch mit den objektiven historischen Daten ergänzt. So liegt uns auch ein wertvolles Lehrbuch vor. Regina J. Schwenke ist Journalistin und Schriftstellerin, hat einen eigenen Verlag und engagiert sich ehrenamtlich in der Gefangenenfürsorge und als Sterbebegleiterin. Nächstenliebe gehört zu den wichtigsten Lebensinhalten der gläubigen Katholikin, die auch fünffache Mutter ist. Uns berichtet sie in Ausschnitten von ihren Erinnerungen. Sie ersetzen aber nicht die Lektüre des Buches.

Als Regina am 1. Januar 1938 geboren wird, ist sie das fünfte Kind in ihrer Familie. Allerdings ist das vierte Kind, ein Mädchen, gleich nach der Geburt gestorben, so dass die Eltern ihr den Namen dieses Kindes weitergeben. Nach Regina bringt ihre Mutter noch drei weitere Kinder zur Welt, zwei davon mitten im Krieg, das letzte im Jahr 1950. Ein Jahr nach Regina wird ihre Schwester Angela geboren. Regina wächst also zunächst mit den drei älteren Geschwistern und ihrer jüngeren Schwester auf. Ihr Vater betreibt als Schmied eine Autowerkstatt und ist stolzer Besitzer eines alten Opels, mit dem die Familie Ausflüge in die nähere Umgebung macht.  Ihre Mutter hat Sekretärin gelernt und hilft dem Vater bei der Buchführung. Die Familie bewohnt eine Dreizimmerwohnung im Parterre Manitiusstraße 2. Damals gibt es kaum Autoverkehr, und die Kinder können vor dem Haus auf der Straße spielen. Um die Kinder kümmern sich auch die Großeltern und die Tanten. Die beiden Tanten bleiben kinderlos und sehen es als ihre wichtigste Aufgabe an mit für die Kinder zu sorgen. Denn ein Kind braucht wegen einer Behinderung besondere Aufmerksamkeit: Rita, die Zweitgeborene. Sie hat bei der Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen und leidet deswegen unter epileptischen Anfällen. Die Tanten sind also unverzichtbar und ein wichtiger Teil der großen katholischen Familie, die der Kirchengemeinde St. Christophorus in der Nansenstraße angehört. Im Februar 1940 muss der Vater in den Krieg ziehen. Zum Glück wird er als Techniker hinter der Front eingesetzt, um die Panzer und Panzerspähwagen zu reparieren. So überlebt er den Krieg.

Seit Ende der 1930er-Jahre werden die Berliner Hauskeller zu Luftschutzkellern ausgebaut. In der Manitiusstraße 2 entsteht ein großer Luftschutzraum durch Zusammenlegung zweier Kohlenkeller. Aber durch die Nähe zum Landwehrkanal sind die Keller oft überflutet, und man muss erst die Ratten beseitigen. Im Frühjahr 1941 fallen die ersten Bomben auf Berlin, und ab August versammeln sich auch die Bewohner Neuköllns nach jedem nächtlichen Sirenenalarm in ihrem Luftschutzkeller. Regina und ihre Geschwister tragen eine an einer langen Schnur befestigte Pappkarte mit ihren Namen, Adresse und den Namen der nächsten Verwandten. Auf der Kellertreppe gibt es immer ein unangenehmes Gedränge, so dass die Kinder froh sind, wenn sie ihre Ecke erreicht haben, wo die Betten aufgestellt sind. Dann ununterbrochen Bombenabwürfe, auch in unmittelbarer Nähe. So geht es zahllose Nächte. Am Tag kann man wieder in die Wohnung zurückkehren, sofern sie nicht beschädigt ist. Im Winter 1943 wird das Haus Manitiusstraße 2 getroffen. Eine Bombe zerteilt es in zwei Teile. Nur eine Hälfte bleibt stehen. Unter dieser halten sich die Mutter und vier Kinder auf, aber das Bett des fünften Kindes stand unter dem zerstörten Teil. Zum Glück konnte sich der Sohn beim ersten gefährlichen Geräusch in Sicherheit bringen. Aber er musste mitansehen, wie die Nachbarn verschüttet werden.

Reginas Mutter und ihre Tanten gehören durch ihre Beziehungen zur katholischen St. Christophorus Gemeinde der Bernhard-Lichtenberg-Gruppe an, die jüdischen Menschen zur Flucht verhilft oder sie versteckt. (Bernhard Lichtenberg war Domprobst der St-Hedwigs-Kathedrale, der öffentlich für die Verfolgten des Naziregimes eintrat und sich auch gegen das Euthanasieprogramm wandte. Er starb 1943 auf dem Weg in das Konzentrationslager Dachau.) Gemeinsam mit einer befreundeten Familie aus der Nachbarschaft hat sich Reginas Mutter ein System ausgedacht Juden sicher verbergen zu können: Indem sie ihre beiden Wohnungen durch eine Klingelschnur miteinander verbinden ließ, können sie sich nun gegenseitig Warnsignale geben, wenn sich in einer der Wohnungen Juden aufhalten und SS-Leute an der Wohnungstür klopfen. Dann wird schnell die Leine gezogen und die jüdische Familie kann in die Nachbarswohnung fliehen. Inzwischen macht sich ein Kind hinter der Eingangstür bemerkbar und sagt: „Ein Moment, Mama ist auf dem Klo.“ Die Mutter spült vernehmlich und öffnet langsam die Tür. „Sind Juden hier?“ „Nein, was sollen die denn hier!“ Dann treten die Nazis ein, durchsuchen die Wohnung, finden niemand und ziehen wieder ab. Die Kinder bekommen das alles mit und dürfen niemand etwas davon erzählen. Sie tun es auch nicht, denn sie sind gut erzogen und gehorsam. Verstehen können sie es wohl noch nicht. Aber sie haben sicher eine Ahnung, auch, dass diese Aktionen sehr gefährlich für die Familie sind.

Regina und ihre Geschwister spielen selbstverständlich auch mit den jüdischen Nachbarskindern, die alle einen Stern tragen. Doch nach und nach verschwinden ihre Freunde einfach. Einmal kommen jüdische Nachbarn zu Besuch und berichten, dass Verwandte im Warschauer Ghetto eingeschlossen seien. Das beängstige sie so, dass sie nach Amerika auswandern wollen. Jetzt warten sie dringend auf das Geld für die Reise, das ihnen die amerikanischen Verwandten zugesagt haben. Doch bevor das Geld eintrifft, wird die Familie abgeholt. Der Mutter bleibt nur noch eine Kerze für sie am Marienaltar anzuzünden.

Ab Ende 1942 sollen sich keine Mütter mit Kleinkindern mehr in Berlin aufhalten. Die Familien werden meistens nach Schlesien evakuiert. Auch Reginas Familie soll ausreisen, allerdings unter der Bedingung, dass die kranke Rita nicht mitfährt, sondern in einem „Sanatorium“ untergebracht wird. Wahrscheinlich wäre sie im „Wiesengrund“ gelandet, in der Städtischen Nervenklinik für Kinder in Reinickendorf, wenn sich die Mutter nicht standhaft dagegen gewehrt hätte. Heute wissen wir, dass viele Kinder dort für zweifelhafte medizinische Forschungen missbraucht wurden und dadurch ums Leben kamen, weil sie als „unwert“ galten. Die Mutter will trotz der Bombenangriffe mit allen fünf Kindern und den Tanten in Berlin bleiben. Die Familie soll nicht auseinandergerissen werden. Auch findet sie noch immer Unterstützung in der St. Christophorus-Gemeinde, insbesondere von dem jungen Pater Dubis, der auch der Bernhard-Lichtenberg-Gruppe angehört. Nachdem das Wohnhaus in der Manitiusstraße halb zerstört ist, braucht die Familie einen anderen Luftschutzkeller. Aber die Hauskeller in der Nähe sind überfüllt und auch in der evangelischen Nikodemus- und in der katholischen St.-Christophorus-Kirche gibt es keinen Platz mehr. Schließlich gelingt es Pater Dubis für die Familie eine „Kammer“ im Fichtebunker zu organisieren.

Der Fichtebunker ist ein ehemaliger Gasometer in der Kreuzberger Fichtestraße, der seit 1941 zu einem Hochbunker für rund 6000 Menschen ausgebaut wurde. Auf sechs Etagen entstanden jeweils 120 Kammern mit 24 Küchen. Die Wände bestehen aus 1,80 Meter dickem Stahlbeton, die Decke ist drei Meter dick. Die Kammern haben keine Fenster.  Notstromaggregate und eine Frischluftversorgung sind eingebaut. Es gibt Waschküchen, eine Sanitätsstelle und am Eingang eine Registratur, in der ein Bunkerwart alles kontrolliert. Die Familie erhält eine Kammer für sechs Personen und macht sich seit dem Winter 1943 täglich gegen 16 Uhr mit dem kleinsten Kind im Kinderwagen auf den Weg zum Fichtebunker. Dafür braucht sie eine Dreiviertelstunde. Das ist beschwerlich, zumal die Mutter wieder schwanger ist. Die Kinder haben genaue Anweisungen, wie sie sich zu verhalten haben und müssen ständig auf die Psyche der kranken Rita achten. Um ihren Hals hängt ein Pappschild, auf dem eine Adresse steht, an die man sich im Todesfall wenden kann. Es gibt fünf Eingänge, und davor parken unzählige Kinderwagen. Wenn bereits Fliegeralarm ausgelöst ist, wird gedrängelt und geschubst, bis die 2500 Mütter mit den insgesamt 4000 Kindern eingetreten sind. Jeder muss einen Berechtigungsschein vorlegen. Die Kammer ist mit sechs Holz-Etagenbetten  und zwei Stühlen ausgestattet. Meistens sind die Kinder schon müde, wenn sie die Kammer erreicht haben und legen sich sofort ins Bett. Im Fichtebunker fühlen sie sich sicher. Die Bombeneinschläge spüren sie nicht so stark wie in ihrem ehemaligen Luftschutzkeller. Am Morgen gehen viele wieder nach Hause und schauen, was die Bomben verwüstet haben und ob ihr Haus noch steht. Weil sie es eilig haben, nehmen sie sich irgendeinen Kinderwagen. So kommt es vor, dass für die Familie dann nur noch ein hässliches Exemplar übrig bleibt. Das bringt die großen Brüder auf die Idee, nach dem Einparken einfach die Räder abzumontieren und mit in den Bunker zu nehmen. Auf diese Weise bleibt ihnen der eigene Kinderwagen erhalten.

Über ein Jahr lang verbringt die Familie ihre Nächte im Fichtebunker. Schnell finden die Kinder viele Freunde, mit denen sie spielen und über die Flure toben können. Sie tauschen die Abzeichen vom Winterhilfswerk, die einem nach einer Spende in die Sammelbüchse ausgehändigt wurde. Das sind verschiedene kleine Figuren, aber auch Liederhefte und Märchenbücher, die zum Lesen lernen anregen. Die größeren Mädchen - schon mit dem „Mutterblick“ im Auge und  dem BDM zugehörig - kümmern sich um die kleinen Kinder und bringen ihnen das Lesen bei. Viele Autoren sind verboten, aber Wilhelm Busch, ein Antisemit, darf sein. Die kleineren Mädchen basteln aus alten Schulheften Steckalben für Oblaten, die sie mit anderen Kindern tauschen. Die Mütter beschäftigen sich mit Nähen, Stricken oder sie sprechen über Rezepte und wie sich Mängel kompensieren lassen. Weil die  Schnüre, an denen die Pappen befestigt sind, an den Haaren ziepen, stellen sie weichere Bänder mithilfe der Strickliesel her. Oder sie trennen Maccostrümpfe auf, die es in den Farben schwarz, grau und braun gibt und häkeln oder stricken aus den Streifen etwas Neues zum Anziehen. Manche lesen sich gegenseitig Feldpostbriefe vor. Die Kinder haben aber auch Pflichten. So müssen sie die Windeln ihrer jüngeren Geschwister auswaschen, auswringen und sie zum Trocknen über Nacht unter das Laken ihres Bettes legen. Einmal heißt es, dass Magda Goebbels den Fichtebunker besuchen wird, was die meisten Frauen begeistert. Reginas Mutter aber verachtet die Nazis und betet als überzeugte Katholikin jeden Abend für alle Soldaten, Freund und Feind.

Am Abend des 15. März 1944 sollen die fünf Geschwister nicht im Bunker übernachten, sondern im Luftschutzkeller der Tanten. Ihnen wird für den nächsten Tag eine Überraschung versprochen. Als sie am Nachmittag zu ihrer Mutter geführt werden, liegt sie im Bett. Neben ihr steht der Kinderwagen, darin ein winziges Baby. „Das ist euer Bruder Michael“, sagt sie, auf begeisterte Zustimmung hoffend. Aber die Kinder reagieren zurückhaltend; sie wissen, dass die Probleme nur noch größer werden. Mit dem Säugling täglich den Fichtebunker aufzusuchen ist nun nicht mehr möglich. Der Weg ist zu beschwerlich und gefährlich. Die Mutter bleibt mit ihren sechs Kindern im Haus beziehungsweise Luftschutzkeller der Tanten bis es im September 1944 Pater Dubis gelingt, der Familie einen Platz in der nahe gelegenen evangelischen Nikodemusgemeinde zu vermitteln. Michael entwickelt später O-Beine, eine Mangelerscheinung wegen der schlechten Ernährung.

In den letzten Kriegstagen wird Berlin von den Russen eingenommen. Am 8. Mai 1945 kapitulieren die Deutschen. Der Krieg ist zu Ende. Die Frauen haben Angst vor den Russen und den Vergewaltigungen. Deshalb machen sie sich alt und hässlich. Die Russen dringen auch in den Keller ein, wo sich Reginas Mutter mit ihren Kindern aufhält. Sie hat sich nicht verkleidet und breitet die Arme um ihre Kinder aus. Aber die Russen nehmen sie zum Entsetzen der Kinder mit. Nach einer schier endlos langen Zeit kehrt sie wieder zurück. Die Russen haben ihr nichts angetan. Im Gegenteil, sie schenkten ihr eine große Tüte Grießbrei und einen Eimer Milch, damit sie für die Kinder Grießbrei kochen kann. Die Frauen machen sich sofort an die Arbeit und füllen einen alten Waschkessel mit dem Gries, der Milch und Wasser und lassen ihn auf einem Kohleofen in der oberen Wohnung kochen. Der Grießbrei brennt an, trotzdem ist es ein Festessen. Regina glaubt noch viele Jahre später, dass Grießbrei nur so schmecken muss.

Da das Mietshaus in der Manitiusstraße zerstört ist, muss sich die Familie eine neue Wohnung suchen. Zufälligerweise ist gerade ein alter Mann im weitgehend unbeschädigt gebliebenen Haus der Großeltern gestorben, und die Familie zieht jetzt einfach in dessen Zweizimmerwohnung ein. Aber auch Verwandte des Verstorbenen, die ebenfalls ausgebombt wurden, erheben Anspruch auf die Wohnung. Es kommt zum Streit. Da zeigt die Tante ein angebliches Erlaubnisschreiben von der russischen Kommandantur vor. Niemand kann es lesen, aber der dicke Stempel überzeugt, und die Interessenten ziehen ab. Die Wohnung ist komplett eingerichtet, und der Mann hat viele Dinge gehortet und gesammelt, die die Kinder jetzt auf dem Schwarzen Markt auf dem Hermannplatz verkaufen können.

Im Sommer 1945 kehrt der Vater aus der Kriegsgefangenschaft heim. Er ist den Kindern fremd geworden; zum ersten Mal sieht er seinen fast eineinhalb Jahre alten Sohn Michael. Rita, das Sorgenkind, wird immer schwächer und erkrankt an Ruhr. Die ganze Familie ist bei ihr, als sie die Augen für immer schließt.

Besonders traurig ist das Ende des jungen Paters Dubis, der sich während des Krieges für so viele Menschen eingesetzt hat. Weil er angeblich zu einer Widerstandsgruppe gehörte, erschießen ihn die Russen. Die Gemeindemitglieder finden schließlich seine Leiche und geben ihm ein so würdiges Begräbnis wie möglich. Der Besitzer eines Kuhstalles in der Weserstraße stellt seinen Plattenwagen und sein blindes Pferd zur Verfügung, und eine große Trauergemeinde begleitet den (Leih-)Sarg (es gibt keine Särge) bis zum Matthias-Friedhof in Tempelhof.

Weihnachten 1945: das erste Christfest nach dem Krieg. Die Familie ist wieder zusammen und bemüht sich trotz aller Mängel um ein schönes Fest. Als Weihnachtsbaumersatz dient ein Besenstiel, an den die Jungen Tannenzweige montiert haben. Es wird, wie in jeder christlichen Familie, gesungen, und die Kinder sagen Gedichte auf. Jeder bekommt ein kleines selbstgebasteltes Geschenk. Alle sind glücklich. Plötzlich klopft es an der Tür. Es ist ein fremder Mann. Er sucht seinen Vater, der in dieser Wohnung gewohnt hat. Nachdem die Familie ihm berichtet hat, was geschehen war, lädt sie ihn ein, diesen Tag mit ihr zu verbringen.

Ostern 1947 steht Reginas Erstkommunion an. Der Vater hat inzwischen seine Werkstatt wieder eröffnet. Die Tanten sind ebenfalls in Lohn und Brot, so dass es wirtschaftlich allmählich aufwärts geht. Man beginnt Mehl und die Kuchenzutaten zusammen zu sammeln, um ein großes Familienfest vorzubereiten. Alles Nötige ist da, auch die Kerze, aber eines fehlt: das Kleid für Regina. Die Tanten wollen schon eines aus weißen Laken nähen lassen, als Tante Käthe, sie arbeitet beim Caritas-Verband, ein großes Paket nach Hause bringt, in dem eine vollständige Ausstattung für eine Kommunion enthalten ist: ein weißes Georgette-Kleid, ein weißer Mantel, weiße Strümpfe und schwarze Lackschuhe. Und an einem goldenen Faden eine Visitenkarte vom Heiligen Vater aus Rom. Natürlich ist Regina sprachlos und überglücklich. Die Schuhe sind leider zu groß; aber Regina stopft Watte in die Spitzen. So kann sie zwar mit ihnen laufen, aber beim Knien in der Kirche wird es kompliziert. Später passiert mit den kostbaren Schuhen beim Schwimmen im Landwehrkanal ein Unglück. Regina stellt die Schuhe beim Umziehen auf ein Plumpsklo, stößt aus Versehen daran, und sie fallen in die Kloake. Der Bademeister zieht sie an einer Angel wieder heraus. Aber sie sind nicht mehr zu retten, und Regina hat gegenüber den Tanten ein schlechtes Gewissen.

Seit diesem wunderbaren Geschenk hat Regina J. Schwenke Kontakt mit dem Vatikan. Viele Jahre später sieht sie gemeinsam mit ihrer alten Mutter im Fernsehen, dass der Papst sich die Nase schnäuzen muss, aber kein Taschentuch dabei hat. Da fordert die Mutter sie auf Taschentücher für den Papst zu besorgen. Das tut Regina, lässt sie mit seinem Namen („Papst Paul II.“) besticken und schickt das Päckchen nach Rom. Nach vierzehn Tagen erhält sie ein persönliches Dankschreiben. Und beim nächsten Fernsehauftritt zieht der Papst eines ihrer Taschentücher hervor und putzt sich damit die Nase.

Die schwierigen Zeiten des Krieges haben die Kinder gelehrt füreinander da zu sein. Der Vater stirbt schon 1970, aber die besonders geliebte Mutter wird 97 Jahre alt. Zum Ende ihres Lebens wird sie von allen Kindern hingebungsvoll gepflegt. Auch die Tanten werden bis zum Tod von allen Nichten und Neffen aufmerksam versorgt; denn sie wissen es zu schätzen, was diese für sie getan haben.







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