Freitag, 28. April 2017

30. Erzählcafé im Körnerkiez



Donnerstag, 16. März 2017

Magdalena Lovric’ – Hausaufgabenhilfe im Nachbarschaftsheim

Magdalena Lovric’ arbeitet seit vier Jahren im Nachbarschaftsheim Neukölln e.V. und leitet dort gemeinsam mit einem Kollegen das Projekt „Außerschulische Bildungs-und Freizeitangebote“, in dem sie mit ihrem Team eine Hausaufgabenhilfe für Grundschulkinder anbietet. Über dieses Projekt wird Magdalena berichten. Das Nachbarschaftsheim wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Unterstützung der Amerikaner errichtet, um ein demokratisches Miteinander zu entwickeln, soziale Ungleichheit abzubauen und gemeinsam mit allen Menschen in der Nachbarschaft die soziale Situation im Stadtteil zu verbessern. Auch wenn sich die konkreten Bedürfnisse der Menschen geändert haben, die Ziele des Nachbarschaftsheims sind bis heute gültig.

Magdalena Lovric’ kommt 1975 in Hagen, Nordrhein-Westfalen, zu Welt. Ihre Eltern stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, heute Serbien, und kamen als Gastarbeiter nach Deutschland. In Hagen lernten sie sich kennen und verliebten sich ineinander. Sie heirateten und bekamen zwei Töchter. Magdalena berichtet, dass sie in bescheidenen Gastarbeiterbaracken wohnten und sich am Wochenende mit den Kollegen in einer Vorstadtkneipe trafen. Die Eltern hatten nicht vor, sich für längere Zeit in Deutschland niederzulassen. Beide wollten arbeiten, aber es gab keine Ganztagsbetreuung für die Kinder. So pendeln sie zwischen Deutschland und Jugoslawien hin und her. Die beiden Mädchen wachsen im Kreis der großen serbischen Familie auf und werden in Jugoslawien eingeschult. Als Magdalena neun Jahre alt ist, beschließen die Eltern, wieder in Deutschland zu leben. Ihre Töchter sollen in Hagen zur Schule gehen. Es gibt keine Willkommensklassen oder eine besondere Sprachförderung wie heute, die Kinder kommen in eine Regelklasse. Magdalena erzählt, dass der Unterricht in Jugoslawien, vor allem in Mathe, fortgeschrittener war als in Hagen, so dass sie nicht zurückgestuft werden mussten. Und die deutsche Sprache haben sie sehr schnell von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gelernt. Da die Eltern wünschen, dass ihre Töchter etwas „Handfestes“ lernen, macht Magdalena nach der 10. Klasse eine Lehre im „Kaufhof“, die sie als „Fachverkäuferin für Damenoberbekleidung“ abschließt. Magdalena will weiterkommen und legt auf dem Zweiten Bildungsweg ihr Abitur ab, um danach an der Freien Universität Berlin Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Jugend- und Erwachsenenbildung zu studieren. Sie lebt vom BAföG und von kleineren Jobs neben dem Studium.

Noch während sie ihre Diplomarbeit schreibt, erhält Magdalena das Angebot, in Köln bei einem Modellprojekt „ Amaro Kher  – Unser Haus“ mitzuarbeiten, das sich an die Minderheit der Roma richtet, Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Im Jahr 2004 zieht Magdalena wieder nach Nordrhein-Westfalen und arbeitet mit Kindern und deren Eltern, die in der Mehrzahl aus Roma-Familien stammen. Diese Kinder haben bereits das Schulalter erreicht, gehen aber nicht in die Schule. Zu dieser Zeit gibt es in Deutschland keine Schulpflicht für Flüchtlingskinder. Außerdem liegen die meist provisorischen Unterkünfte für Flüchtlinge außerhalb des Stadtzentrums und damit weit entfernt von Bildungseinrichtungen. Ziel ist es, die Kinder trotzdem an die Schule heranzuführen. Das Projekt versucht, den durch Flucht und Armut traumatisierten Menschen den Zugang zur Schulbildung zu ermöglichen und sie für einen regelmäßigen Schulbesuch zu motivieren.

Nach drei Jahren will Magdalena aus „privaten Gründen“ wieder in Berlin leben. Dort arbeitet sie viele Jahre als Sozialarbeiterin verschiedenen Bildungseinrichtungen im Bereich der „Sozialpädagogischen Familienhilfe“ (§ 31 SGB VIII). Ihre Aufgabe ist es, in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Jugendämtern die Eltern individuell in ihrer Erziehungskompetenz zum Wohle des Kindes und des Jugendlichen zu unterstützen.

Seit 2013 ist sie Mitarbeiterin im Nachbarschaftsheim Neukölln e.V., einer sozialen Einrichtung, deren Angebote sich an alle Menschen im Kiez richten. Morgens gibt es Kurse für Bewegung und Entspannung für Ältere, vormittags und nachmittags steht das Haus überwiegend Kita- und Schulkindern zur Verfügung, und ab 18 Uhr werden zahlreiche Kurse für Erwachsene angeboten wie Yoga, Tanzen, Theater u.v.m. Mehrmals im Jahr finden große Feste statt, bei denen alle zusammen feiern, wie beispielsweise beim Osterfeuer, das mit Spielen für Kinder, Musik, Tanz und köstlichen Speisen begleitet wird.

Magdalena betreut gemeinsam mit ihrem Kollegen Burak Tamer den „Interkulturellen Kinder- und Familientreffpunkt“. Ein besonderes Projekt ist die Hausaufgabenhilfe, mit dem Projektnamen „Außerschulische Bildungs-und Freizeitangebote“, das vom Quartiersmanagement Körnerpark gefördert wird und sich an Grundschulkinder der Konrad-Agahd- und Peter-Petersen-Schule richtet. Mit diesen beiden Schulen, die im Körnerkiez liegen, hat das Nachbarschaftsheim ein Kooperationsabkommen geschlossen. Die Hausaufgabenhilfe ergänzt die Ganztagsbetreuung dieser beiden Schulen, da dort nicht für alle Schülerinnen und Schüler Plätze zur Verfügung stehen. Vorrangig erhalten Kinder, deren Eltern beide tagsüber arbeiten und für die Betreuungskosten aufkommen, an diesen Schulen einen Hortplatz. Alle anderen Kinder müssten nachmittags zu Hause oder anderweitig – zum Beispiel im Nachbarschaftsheim – versorgt werden. Seit der EU-Erweiterung im Jahr 2007 sind viele rumänische und bulgarische Familien nach Neukölln gezogen, die das Angebot der Hausaufgabenhilfe im Nachbarschaftsheim für ihre Kinder gern wahrnehmen. Sie und auch arabisch und türkisch sprechende Eltern sind vor allem daran interessiert, dass ihre Kinder die deutsche Sprache sehr gut lernen, weil sie meistens selbst wenig oder gar nicht Deutsch sprechen. Dieses Bedürfnis geht zwar über die Möglichkeiten der angebotenen einstündigen Hausaufgabenhilfe hinaus, aber, so erzählt Magdalena, das Projekt wird erfreulicherweise zusätzlich von Ehrenamtlichen unterstützt, so dass eine individuelle Förderung beim (Deutsch) Sprechen, Lesen und Schreiben punktuell möglich ist.

98 Prozent der Kinder in der Hausaufgabenhilfe stammen aus Zuwandererfamilien. Das Nachbarschaftsheim fragt nicht, ob die Eltern arbeiten gehen und baut auch sonst keine großen Hürden auf. Das Hausaufgabenangebot richtet sich an alle Grundschülerinnen im Körnerkiez. Für Kinder, die in großen Gruppen nicht zurechtkommen oder Verhaltensauffälligkeiten zeigen, bietet das Nachbarschaftsheim die „soziale Gruppenarbeit“ als Unterstützung an. Alle Kinder werden von ihren Eltern angemeldet, die sich mit 50 Cent pro Tag beteiligen. „Dieser Betrag ist symbolisch als Wertschätzung zu verstehen“, erläutert Magdalena.

Die Hausaufgabenhilfe findet an vier Tagen in der Woche von Montag bis Donnerstag statt und ist in fünf Gruppen für je 10 Kinder eingerichtet. Die Kinder der 1. bis 3. Klasse sowie der der 4. bis 6. Klasse werden zusammengefasst. Die Gruppen werden von je einer Honorarkraft geleitet, die pädagogisch ausgebildet ist und Erfahrung in der Gruppenarbeit und in der Arbeit mit Grundschulkindern hat. Mindestens ein Mal pro Woche wird jede Gruppe von einer ehrenamtlich arbeitenden Betreuerin (oder Betreuer) unterstützt, die mit einzelnen Kindern arbeitet, die besonders gefördert werden müssen. „Übrigens suchen wir immer Ehrenamtliche, die bereit sind mitzuhelfen“, sagt Magdalena und schaut aufmunternd in die Runde im Erzählcafé. „Wir sind auf solche Helferinnen und Helfer angewiesen. Je mehr sich engagieren, desto größer werden die Fortschritte bei den Kindern sein.“

Vor der Hausaufgabenhilfe, um 14 Uhr, gibt es Mittagessen. Wer sich angemeldet hat, muss pünktlich erscheinen. Zwei Kinder haben Tischdienst und helfen beim Tischdecken, Abräumen und Saubermachen. Täglich wird im Nachbarschaftsheim frisch gekocht, und immer ist Salat oder Gemüse dabei. Einmal in der Woche bespricht Magdalena mit den Kindern, was sie gern essen wollen. Es gibt zum Beispiel: Pommes mit Salat, Spaghetti Bolognese, Gemüsequiche, Gemüseeintopf mit Hackfleisch, Kartoffeln mit Quark, Linsen- oder Gemüsesuppe, Chili con carne, Lasagne. Für einen Nachtisch reicht das Budget nicht, aber wenn ein Kind Geburtstag hat, bringt es oft etwas Süßes für alle Kinder mit. Das gemeinsame Mittagessen ist für die Kinder sehr wichtig, meint Magdalena. Dabei können sie sich ausruhen und Kraft für den Nachmittag schöpfen.

Nach der Hausaufgabenhilfe, in der die Kinder in der Regel alle ihre anfallenden Schularbeiten erledigt haben, beginnen um 15.30 Uhr die vielfältigen „außerschulischen Freizeitangebote“, an denen auch alle anderen Kinder aus dem Kiez teilnehmen können. Sehr beliebt ist der Trommelkurs. Die Kinder nehmen auch gern die Angebote für kreatives Gestalten wahr, wie Malen und Basteln, Töpfern, die Fotowerkstatt am Computer oder sie beteiligen sich an der beliebten Koch & Back AG. Es gibt Computerkurse, Mädchenfußball und ein Fußballgruppen für Jungen. Die Kinder können sich auch Spiele ausleihen und den Nachmittag damit verbringen. Bis 18 Uhr stehen Haus und Garten den Kindern zur Verfügung.

Magdalena und die Gruppenleiter- und Leiterinnen bilden ein interkulturelles Team, das die wichtigsten Sprachen der im Nachbarschaftsheim aktiven Eltern kennt : Türkisch, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch, Rumänisch und Bulgarisch. Einmal im Monat gibt es das „Hausaufgaben-Elterncafé“, bei dem die Entwicklung der Kinder besprochen wird. Da die Betreuerinnen und Betreuer mit den Schulen Kontakt haben, wissen sie, wie sie in der Schule stehen und was mit den Kindern geübt werden soll. Etwa 90 Prozent der Eltern erscheinen beim Elterncafé und beweisen dadurch, wie sehr ihnen das Vorankommen ihrer Kinder am Herzen liegt. Überwiegend kommen die Mütter, die dann manchmal ihre Babys mitbringen.

Magdalena und ihr Team leiten die Kinder zum selbstständigen Arbeiten an. Die Kinder sollen lernen, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Das heißt auch, die einmal vereinbarten Regeln einzuhalten, zum Beispiel Pünktlichkeit, rücksichtsvolles Verhalten, eine Benachrichtigung beim Fernbleiben. Magdalena betont, dass die meisten Kinder die Regeln respektieren. Benimmt sich trotzdem ein Kind unpassend, führen die Betreuerinnen und Betreuer Gespräche mit den Eltern. Kann aus dem Team niemand die Sprache der Eltern sprechen, wird ein Dolmetscher eingeschaltet. Wenn sich das Verhalten nach dem dritten Gespräch nicht gebessert hat, kann das Kind nicht mehr teilnehmen. Einmal wurde ein Mädchen aus der 2. Klasse gerügt, weil es zu spät kam, und es weinte verzweifelt. Ihr älterer Bruder, der in einer anderen Gruppe im Haus beschäftigt war, kümmerte sich nicht um die Schwester: er wollte nicht ihr Babysitter sein . Oft müssen ältere Geschwister die Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister übernehmen, insbesondere die Mädchen. „Da hört die Kindheit bei vielen mit zehn, elf Jahren auf. Diese Eltern haben meistens viele Kinder und brauchen Unterstützung“, meint Magdalena.

Die Hausaufgabenhilfe des Nachbarschaftsheims versucht, den Kindern die Unterstützung zu geben, die sie für ihre schulische Entwicklung brauchen. Die meisten können diese Hilfe nicht von ihren Eltern erhalten, da diese kaum oder kein Deutsch sprechen. Magdalena hat erfahren, dass das Nachbarschaftsheim ein „toller Ort ist, wo man sich begegnen kann“. Damals, als sie sich als Gastarbeiterkind mit ihrer Familie in Deutschland zurechtfinden musste, gab es keine Förderung. Ihre Eltern haben ihr erzählt, dass sie als kleines Mädchen eines Tages das Sprechen verweigerte, weil sie nicht mehr zwischen Serbisch und Deutsch „switschen“ wollte. „Ich kann mich absolut mit diesem Projekt identifizieren, weil ich weiß, was es bedeutet, wenn Eltern einen nicht unterstützen können, aber trotzdem wollen, dass ihr Kind einen guten Abschluss macht. „Deshalb finde ich solche Angebote superwichtig. Ich hätte mir damals auch so etwas gewünscht.“





1 Kommentar:

  1. Kredit-Angebot hat ohne Protokoll-Rate reduziert
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