Donnerstag, 12. Oktober 2017
Bettina Stahn –
Ethnologisches Forschen in Afrika
Bettina Stahn ist eine
engagierte Besucherin des Erzählcafés. Von Beginn an ist sie regelmäßig dabei.
Seit 1998 wohnt sie in der Emser Straße und verfolgt die Entwicklung des Kiezes.
Die Erlebnisse im Erzählcafé haben ihr den Anstoß gegeben, sich zur Wahl des
Quartiersrats aufstellen zu lassen, in den sie mit einer beachtlichen Quote gewählt
wurde. Darauf ist sie stolz. Die studierte Ethnologin macht entwicklungspolitische
Bildungsarbeit im Bereich der Erwachsenenbildung. Im Erzählcafé berichtet sie neben
Kindheitserlebnissen über ihre Forschungsprojekte in Afrika.
Bettina Stahn wird 1959 in einer in Berlin-Steglitz wohnenden
Arztfamilie geboren. Ihre drei Geschwister sind wesentlich älter als sie: Zu
Bernhard beträgt der Altersunterschied 10, zu Cornelia 12 und zum ältesten
Bruder Gottfried-Eckehard (genannt Dicki) 14 Jahre. Nach der Geburt Bernhards dachte
die Mutter, er sei ihr letztes Kind. Sie war zu der Zeit 26 Jahre alt und von
Beruf Gymnastiklehrerin. Eines Tages, so erzählt es die Mutter, holte der Vater
sie von einem Ostsee-Urlaub ab. Er umarmte sie und stutzte. Dass sie wieder
schwanger war, wollte sie erst nicht glauben. Aber der Vater, ein Arzt, hatte
recht, denn er wusste, wie seine Frau sich anfühlte, wenn sie schwanger war.
1962 zieht die Familie nach Wannsee in ein großes Haus mit
Garten, das die Eltern gebaut haben. Bettina wächst geliebt und wohlbehütet
auf. Sie ist ein lebhaftes Kind, das sich allein beschäftigen kann und nie
gebrüllt haben soll, wenn es etwas haben wollte. Sie hat ihre eigene Methode
sich durchzusetzen. Wenn zum Beispiel eines der Geschwister das Haus verlassen
möchte, stellt sich Bettina blitzschnell in die Tür und versperrt so lange den
Weg, bis der Bruder oder die Schwester bereit sind, sie mitzunehmen. Bei
Familienspaziergängen bleibt Bettina stehen, wenn sie nicht mehr gehen kann
oder will und spreizt die Beine, um von den Älteren auf die Schulter genommen
zu werden. Einmal greift sie nach dem kostbaren Lippenstift der Mutter und
bemalt damit die wertvollen, aus Birkenholz gebauten Schlafzimmerschränke. Alle
diese Geschichten vermerkt die Mutter in ihrem Tagebuch. Später schenken
Freunde ihr eine Filmkamera, die das Tagebuch ersetzt. Die Mutter filmt, wie
das Engelchen Bettina beim weihnachtlichen Krippenspiel dem afrikanischen König
(alias Bruder Bernhard) die Schokolade vom Gesicht ableckt oder wie der Vater
Bettina übers Knie legt, um einen Knopf mit chirurgischer Naht und Verknotung
an ihre gelbe Latzhose anzunähen.
1965 wird Bettina in die nahegelegene Dreilindenschule
eingeschult. Ihre Lehrerin ist jung, liebenswürdig, und „sie hatte ebenso
hellblonde Haare wie ich“. Vom ersten Schultag an ist Bettina mit ihrem
Klassenkameraden Claus befreundet, einem dünnen, schwarzhaarigen Jungen mit
großen braunen Augen. Die beiden sind unzertrennlich. Bettina leidet an
Neurodermitis und hat oft die Hände verbunden. „Meine Hände wurden mit
Teersalbe eingerieben. Das war damals das beste Mittel, das den Juckreiz
linderte“, erklärt Bettina und beschreibt, wie sich die Kinder in ihrer Klasse
die Nase zuhalten und „iii, riecht das eklig“ schreien. Claus dagegen fasst sie
um und läuft mit ihr gemeinsam über den Schulhof. Das ist für die anderen
Kinder ein Grund zum Lästern, und sie rufen ihnen hinterher: „Braut und
Bräutigam!“
Bettina hat genügend Selbstbewusstsein, das gemeine
Verhalten ihrer Mitschüler nicht allzu sehr an sich herankommen zu lassen. Sie
fühlt sich von Claus unterstützt. Außerdem ist sie auch mit Claus’ Schwester
befreundet, die zwei Jahre älter ist. „Wir drei bildeten eine eingeschworene
Gemeinschaft, an die niemand herankam.“ Fast täglich sind sie zusammen,
entweder zuhause bei Bettina oder bei Claus und denken sich fantasievolle
Spiele aus, zum Beispiel: „Verkleiden“. Dabei dürfen sie sich aus der von
Bettinas Mutter mit alten Kleidungsstücken vollgestopften Truhe bedienen. Oder:
„Vater, Mutter, Kind“. Bettina muss immer das Kind sein, weil sie die Jüngste
ist. Im Sommer ziehen die drei durch die Umgebung, erforschen unbekannte Ecken
und fühlen sich wie eine Bande. Manchmal gibt es Streit, aber sie schaffen es,
sich immer wieder zu versöhnen.
Die Großmutter mütterlicherseits wohnt ganz in der Nähe,
Bettina darf sie oft besuchen, sie ist gern bei ihr. Die Großmutter ist
Malerin, und Bettina hält sich mit ihr den ganzen Tag lang im Atelier auf und
schaut ihr beim Malen zu. „Ich bin mit der Malerei, den Pinseln und Farben
aufgewachsen. Das hat mich geprägt. Kunst fasziniert mich noch heute“.
Bettinas Vater arbeitet als Chirurg in einem Ost-Berliner
Krankenhaus. Täglich fährt er mit seinem Auto über die Grenze nach Lichtenberg
und nimmt dabei die lästigen Kontrollen in Kauf. Auch nach dem Bau der Mauer
erträgt er die Strapazen eines „Grenzgängers“. Bettina sagt, ihr Vater sei ein
Idealist gewesen. Er blieb im Osten, weil es dort an Ärzten mangelte. (Nach
Gründung der DDR sind viele Fachkräfte nach Westdeutschland emigriert.) In
West-Berlin dagegen gibt es nur selten freie Arzt-Stellen. Da er überwiegend
Ost-Geld verdient, bleibt der Familie nicht anderes übrig, als in Ost-Berlin
einzukaufen. Einmal in der Woche überquert die Mutter die Grenze, um den
Großeinkauf – Lebensmittel und Bekleidung – für die Familie zu erledigen und
nimmt eines der älteren Kinder mit. Bettina trägt die Kleider „aus dem Osten“
gern. Erst später, als sie in der Schule ihre Mitschülerinnen in Kleidern mit
Rüschen und Schleifen sieht, will sie auch „so etwas Schönes“ haben. Nach
einigen Jahren verbessert sich
die medizinische Versorgung in Ost-Berlin, das medizinische Personal wird
aufgestockt. Plötzlich sieht man dort die West-Ärzte schief an. Als schließlich
eine West-Kollegin gemobbt wird, beschließt der Vater zu gehen und kündigt.
1968, an Bettinas neuntem Geburtstag, steht der Möbelwagen
vor der Tür. Sie zieht mit ihren Eltern in das südliche Baden-Württemberg nach
Schwenningen, wo ihr Vater in einer Klinik arbeiten wird. Die erwachsenen
Geschwister gehen eigene Wege. Bettina ist wütend und traurig, ihre Berliner
Freunde verlassen zu müssen. In Schwenningen kommt sie in die 4. Klasse zum
Lehrer Herrn Dieterle, den sie als „personifizierten Teufel“ erlebt. Empört
berichtet sie, wie er Klassenkameraden mit dem Rohrstock schlug. Als sie einmal
ein Buch vergessen hat, nähert er sich ihr hinterhältig lächelnd, kneift sie
kräftig in die Wange und schlägt noch einmal drauf. „Ich war völlig paralysiert
und konnte es nicht meiner Mutter erzählen. Vielleicht, weil ich wegen des
vergessenen Buches ein schlechtes Gewissen hatte.“ Erst viele Jahre später
spricht Bettina mit ihrer Mutter darüber. Die Mutter hätte sie
selbstverständlich gegenüber dem Lehrer verteidigt, ihn sogar angezeigt.
Auch mit den schwäbischen Kindern kommt Bettina nicht klar.
Das Schlimmste ist der eigenartige Dialekt, den sie sprechen. Bettina hat große
Mühe sie zu verstehen. Außerdem gefallen ihr ihre Spiele nicht. „Sie warfen
Bälle an die Wand und sagten dazu einen blöden Spruch.“ Wenn Bettina ein Spiel
vorschlägt, lehnen sie es ab mit der Begründung, es könnte eine „Sauerei“
entstehen. Aber was bedeutet das? Bettina lernt, dass die Kinder „Unordnung“
oder „Schmutz“ meinen. Sie antwortet: Wir können ja wieder aufräumen. Doch
Spiele, die Unordnung und später eine Aufräumaktion nötig machen, sind bei den
Schwaben wohl nicht vorgesehen, meint Bettina. Sie schwört, niemals so zu
sprechen wie die Kinder in Schwenningen. Das wäre Hochverrat gegenüber ihren
Berliner Freunden. Umgekehrt finden die Schwenninger Kinder Bettina, „die so
komisch spricht“, hochnäsig und glauben, dass sie sich für etwas Besseres hält.
Trotzdem
findet Bettina Freundinnen und Freunde, die zu ihr passen, und sie verliebt
sich zum ersten Mal. 1976 ziehen ihre Eltern wieder um, diesmal nach
Nord-Württemberg in eine kleine Stadt, wo der Vater eine Arztpraxis übernimmt. Bettina
muss täglich mit dem Bus zur Schule in die benachbarte Stadt fahren. In ihrer
neuen Heimatstadt findet Bettina schwer Anschluss. Nur im Sportverein lernt sie
ein paar Leute kennen.
Im Wintersemester 1981/82 wählt Bettina Bayreuth als Studienort,
wo die 1972 gegründete Universität einen Afrika-Schwerpunkt hat. Bettina wird
dort Ethnologie studieren. „Ich habe schon als Kind gern Menschen beobachtet
und mich später auch für fremde Kulturkreise interessiert“, sagt Bettina. Neben
Ethnologie belegt sie die Fächer Afrikanistik und Soziologie und findet in
überschaubar besetzten Seminaren angenehme Studienbedingungen vor. Die Stadt
Bayreuth, die lediglich einmal im Jahr während der Wagner-Festspiele aufblüht,
findet Bettina wenig attraktiv. Andere kulturelle Angebote gibt es kaum. Viele
der männlichen deutschen Studierenden fahren über das Wochenende nach Hause,
„um sich von ihren Müttern ihre Wäsche waschen zu lassen“.
Doch Bayreuth ist Anziehungspunkt für zahlreiche
afrikanische Studierende, die sich oft für Germanistik oder Afrikanistik
entscheiden. Fast alle wollen nach ihrem Studium in ihre Heimat zurückkehren,
um dort bei der Entwicklung mitzuhelfen. Bettina studiert in einem
deutsch-afrikanischen Arbeitskreis. Die Studierenden entwickeln Aktionsformen,
um gegen den Rassismus im Alltag vorzugehen, machen Ausstellungen, kleben
Plakate und verteilen Flyer. Im Studentenheim kommen sie zusammen, diskutieren,
kochen gemeinsam köstliche afrikanische Gerichte und organisieren Tanzfeste.
„Es war eine lebendige und intensive Zeit. Bei den permanenten Diskussionen
mussten wir jedes Wort auf die Goldwaage legen“, sagt Bettina. Die
afrikanischen Germanistik-Studierenden hinterfragen sehr genau die Bedeutung
vieler Wörter. „Die Tanzfeste haben wir über mehrere Jahre organisiert. Als
eine neue Gruppe Studierender hinzukam, die Drogen einführen und Frauen
abschleppen wollten, haben wir damit aufgehört.“
Bettina befasst sich mit verschiedenen afrikanischen
Sprachen, intensiv jedoch mit den beiden Verkehrssprachen Swahili und Hausa.
„Die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner sprechen mindestens zwei Sprachen,
dazu kommen noch die Amtssprachen, die aus der Kolonialzeit herrühren, und die
jeweiligen Verkehrssprachen. Da die vielen Ethnien innerhalb verschiedener
Staatsgrenzen verstreut leben, werden in den einzelnen Regionen viele Sprachen
gesprochen. In Afrika gibt es mehr als 2.000 Sprachen. Der amerikanische Sprachwissenschaftler Joseph Greenberg
hat in den 1960er-Jahren die afrikanischen Sprachen in vier Sprachfamilien
eingeteilt. „Die Grammatik afrikanischer Sprachen ist mit der europäischer
Sprachen nicht zu vergleichen“, sagt Bettina und versucht die Regeln der so
genannten Klassensprachen zu erklären. Um die Hausa-Sprache zu studieren,
müssen die Seminareilnehmer das arabische Alphabet lernen, damit sie den Text in
arabischer Schrift lesen können.
Im Rahmen eines linguistischen Forschungsprojektes, das
Bettinas Bayreuther Professor leitet, reist sie mit anderen Studierenden nach
Tansania und Kenia. Es geht darum, Verwandtschaftsbezeichnungen in den
verschiedenen Bantu-Sprachen zu sammeln und zu systematisieren. Die
Studierenden schlagen ihr Forschungslager auf einem Campingplatz nahe Mombasa
auf, um von dort aus die umliegenden Dörfer zu besuchen und an Hand eines
Fragebogens Interviews auf Swahili zu führen.
1986 setzt Bettina ihr Studium an der Freien Universität
Berlin fort. 1988 hat sie die Möglichkeit, an einer Feldforschung teilzunehmen,
diesmal in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo), das seit 1965 von Mobuto
beherrscht wird. Der Aufenthalt wird etwa drei Monate dauern. Bettina hat sich
mit dem Werk des Jesuitenpaters Wauthier de Mahieu befasst, der Anfang des 20.
Jahrhunderts über das im Nordosten Zaires lebende Volk der Kumu geforscht hat,
und festgestellt, dass den Frauen nur vier Seiten gewidmet sind. Im Rahmen dieses
Projektes will sie die Lebensbedingungen und die Kultur der Kumu-Frauen weiter
erforschen. Nach einer langen Autofahrt durch den Urwald setzt sie ihr Berliner
Professor in „ihrem“ Dorf ab. Sie wohnt bei einer Familie, mit der sie sich auf
Französisch oder, noch besser, auf Swahili verständigt. In ihrem winzigen
Zimmer, in das gerade das Bett mit dem Moskitonetz, ein Tisch und ein Stuhl
passen, fühlt sie sich wohl, und sie beginnt sich im Dorf einzuleben. Anfangs
wird ihre Anwesenheit interessiert zur Kenntnis genommen. In der 200 Kilometer
entfernten Provinzhauptstadt Kisangani, die auch eine Universität besitzt,
bemerkt sie argwöhnische Blicke, weil die Einwohner sie für eine Belgierin
halten, die sie an die schrecklichen Zeiten als belgische Kolonie erinnert. Wenn
Bettina sagt: Ich bin Deutsche, kann sie ein höfliches „Pardon, Madame“
entgegennehmen.
Bettinas Aufgabe ist es, die Frauen bei ihrer Arbeit auf
Schritt und Tritt zu begleiten. Drei Stunden vom Dorf entfernt befindet sich
ein Goldabbau, wo die meisten Männer des Dorfes arbeiten. Dort übernehmen einige
Frauen den Restaurantbetrieb oder verkaufen Lebensmittel. Im Dorf kümmern sich die
Frauen um sämtliche anfallende Arbeiten, auch um die, die sonst von Männern
übernommen werden, wie Häuserbau oder Holzfällen. Die Häuser sind aus Lehm
gebaut, die Dächer mit Bananenblättern gedeckt. Nach langen Regenzeiten fallen
große Reparaturen an. Die Frauen kümmern sich auch um die Kinder, kochen das
Essen, gehen auf die Felder oder in den Urwald, um Feuerholz zu holen. Bettina
arbeitet täglich mit. Auf der Hinreise zu ihrem Dorf hat sie sich Kinshasa und
Kinsangani afrikanische Stoffe gekauft und daraus Kleider nach einheimischen
Vorlagen nähen lassen, die sie jetzt im Dorf trägt. Im Urwald zieht sie Hosen
an. Es ist bequemer, weil sie und die Frauen oft über große Baumstämme steigen
müssen, und ihre Gasteltern haben nichts dagegen. Bei der Zubereitung der
Mahlzeiten spielt Maniok eine große Rolle. Bettina schält und kocht diese
Wurzel, die ein wenig wie Kartoffeln schmeckt. Um Mehl herzustellen, muss die
Wurzel erst gewässert, dann getrocknet und gemahlen werden. Beim Stampfen der
Maniokblätter in einem hohen Holzgefäß versucht sie, es den Frauen gleichzutun
und ihren gleichmäßigen Rhythmus zu finden. Doch sie bespritzt sich von oben
bis unten mit dem Maniokmus – aller Anfang ist schwer! Aus Maniok wird auch
Schnaps gebrannt, mit dem sie sich schon mal mit Frauen aus der Familie einen
lustigen Nachmittag macht.
Ende 1988 fährt Bettina zurück nach Berlin, beginnt ihren
Forschungsbericht zu schreiben und lässt sich abschließend im Tropeninstitut
untersuchen: ohne Befund. Doch nach eineinhalb Jahren fühlt sie sich nicht gut.
Es heißt, wenn man diesen Zeitraum nach einem Aufenthalt in den Tropen gut
überstanden hat, sei man völlig gesund, nicht jedoch Bettina. Ihr geht es immer
schlechter, und sie bekommt hohes Fieber. Bettinas Freund muss den Notarzt
rufen, der sie ins Auguste-Viktoria-Krankenhaus bringt. Nach ausführlichen
Anamnesen mit unzähligen Blutabnahmen ist kein Ergebnis in Sicht. Bis nach
einigen Tagen ein junger Arzt nach ihr schaut und sagt: Ich weiß jetzt, was Sie
haben: Malaria tertiana. Typisch für diese Krankheit sind die unregelmäßigen
Fieberanfälle. Bettina wird auf die Infektionsabteilung verlegt, wo sich auch
die neue Station für Aids-Kranke befindet. Nach sechs Wochen kann sie das
Krankenhaus verlassen, wissend, dass das vielen anderen Kranken auf dieser
Station nicht mehr vergönnt sein wird.
Wieder zu Hause, teilt ihr Freund ihr mit, dass er sich von
ihr trennen wird. Auch das muss verkraftet werden. Bettina schließt ihren
Forschungsbericht und damit auch das Studium ab und beginnt mit einer Arbeit
als freiberufliche Ethnologin in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.
Sie unterrichtet in Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung über Afrika,
seine Sprachen, Geschichte und Kulturen. Dabei kann sie auch ihre in Bayreuth
gemachten Erfahrungen im Kampf gegen den Rassismus verwerten. Bettinas Eltern
und Geschwister unterstützen sie in allen ihren Vorhaben.
Die Eltern haben sich am Rand des Schwarzwaldes noch ein
Haus gebaut. Sie haben eine gute Ehe geführt und im Einklang miteinander gelebt,
findet Bettina. Als der Vater 1984 im Sterben liegt, ist immer jemand aus der
Familie bei ihm. „Nach seinem Tod hatte ich das Gefühl, endlich erwachsen
geworden zu sein“, sagt Bettina. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt. Die
Mutter bleibt noch viele Jahre allein in dem Haus wohnen. Als sie gebrechlich
wird, machen sich die Kinder Sorgen um sie. Bettina legt ihre
Unterrichtseinheiten so, dass sie alle zwei Wochen für eine Woche bei der
Mutter sein kann. Die Mutter stirbt 2012 mit 90 Jahren.
Seit 1998 wohnt Bettina im Körnerkiez und sie fühlt sich
wohl dort. Auch ihre Mutter ließ sie daran teilhaben: Solange diese sie noch
besuchen konnte, genossen sie stets einen gemeinsamen Spaziergang im Körnerpark.